2023 war für den Regenwaldschutz in Brasilien

ein Jahr voller Jubiläen, Rekorde und Ambivalenzen:

Die Rodungsrate im brasilianischen Amazonasgebiet erreichte ihren niedrigsten Wert seit 2018 – laut INPE wurden rund 5.152 km2 gerodet – das ist nur halb so viel wie im Vorjahr, als das Land noch von Präsident Jair Bolsonaro regiert wurde. Gleichzeitig scheint sich die Abholzung jedoch auf ein anderes, ebenso sensibles Ökosystem ausgeweitet zu haben, den Cerrado – dort waren 7.828 km2 von Rodungen betroffen.
links: Marivelton Barroso bei der Eröffnung der Jubiläumsfeier anlässlich 30 Jahre Klimabündnis-Partnerschaft

Partnerschafts-Jubiläum

Anlass zum Feiern boten 2023 mittlerweile 30 Jahre gelebte Partnerschaft zwischen österreichischen Gemeinden, Städten und Bundesländern und den brasilianischen Organisationen FOIRN und ISA. Die gemeinsamen Erfolge wurden bei zahlreichen Veranstaltungen in Österreich und am Rio Negro gewürdigt und der Grundstein für die inhaltliche Ausrichtung der künftigen Zusammenarbeit gelegt.  

Im April wurde das IT Uneuixi gemeinsam mit 5 weiteren Gebieten offiziell durch den brasilianischen Staat anerkannt.

Landrechte sichernNeues Territorium anerkannt

Zentrales Element der Partnerschaft war immer schon die Untersützung der FOIRN bei der Absicherung der Landrechte.

Der Machtwechsel hin zu Präsident Lula brachte nicht für den Regenwaldschutz, sondern auch für die indigene Bevölkerung dahingehend positive Entwicklungen. Nach über 4 Jahren der Schwächung und des Stillstands, wurden 2023 erstmals weitere indigene Territorien offiziell homologiert, also durch den Staat anerkannt. Auch am Rio Negro profitierte die Bevölkerung davon und erhielt Ende April die Landrechte für das Indigene Territorium Uneuixi, das zwei Mal der Fläche Vorarlbergs entspricht. 

Im verlinkten Video bedankt FOIRN-Präsident Marivelton Barroso sich für die langjährige Unterstützung bei der Absicherung indigener Landrechte am Rio Negro:

„Denn alle Erfolge, die wir feiern, sind auch eure Erfolge!“

Urbanisierung stoppen – regionales Wirtschaften ermöglichenBioökonomie als Zukunftsphilosophie

Ein Schlüsselelement zum Erhalt des Regenwalds am Rio Negro ist die indigene Bevölkerung selbst, deren traditionelle Wirtschaftsweise dazu beiträgt, den Wald als CO2-Senke zu erhalten. Neue, nachhaltige Einkommensquellen sind daher wichtige Eckpfeiler, um den Menschen die Möglichkeit zu bieten, auch im 21. Jahrhundert noch von und im Regenwald leben zu können. Am Rio Negro zählen dazu Traditionelle Landwirtschaft, Keramik und Kunsthandwerk, Ökotourismus und Meliponi-Imkerei. Um dieses traditionelle Wissen zu erhalten, förderte das BMK zwischen 2021 und 2023 den Aufbau zahlreicher ökologischer Initiativen in der Region. Wie sich diese “Bioökonomie” genannte Wirtschaftsphilosophie am Rio Negro in konkreten Projekten äußert, darüber werden wir 2024 in einer neuen Serie berichten. Bleiben Sie also dran! 

 

Weltweit einzigartig: Seit 2023 hat Brasilien ein Ministerium für indigene Völker unter indigener Leitung

Politische SelbstwirksamkeitDie Indigene Bewegung ist gestärkt wie nie zuvor

Zentral für die Stärkung der indigenen Bewegung Brasiliens war vor allem die Einrichtung eines eigenen Ministeriums für Indigene Völker, unter dem Vorsitz von Sônia Guajajara, einer langjährigen indigenen Aktivistin. Viele wichtige Gremien, wie die Behörde für indigene (Land-)Rechte FUNAI, Indigene Gesundheitsdistrikte (DSEI) und auch öffentliche Stellen des Natur- und Umweltschutzes wurden sowohl auf Landes- als auch auf Regionalebene mit indigenen Vertreter:innen besetzt. 

 

Diese Entwicklung gab auch unseren Partner:innen vom Dachverband der indigenen Organisationen am Rio Negro Aufwind: Noch nie zuvor war die FOIRN institutionell so gestärkt wie 2023. Rund 70 Mitarbeitende zählen mittlerweile zum permanenten Team und setzen sich ein für den Erhalt eines Gutes Lebens in der Region, darunter auch 3 indigene Anwält:innen

Dürrewahrscheinlichkeit durch Klimakrise 30-fach erhöhtKlimakrise bedroht Lebensgrundlage

Die Klimakrise führte am Amazonas und seinen Nebenflüssen zu einer historischen Dürre, die nicht nur eine immense Bedrohung für die lokale Artenvielfalt darstellte, sondern, wie zuletzt berichtet, auch die Ernährungs- und Energiesouveränität der Menschen vor Ort stark bedrohte. Einer der Nebenflüsse ist der Rio Negro, der bei der Metropole Manaus in den Amazonas mündet. Dort erreichte er seinen historischen Tiefststand seit 120 Jahren, wodurch am gesamten Flusslauf die Trinkwasserversorgung akut gefährdet war.  

Veto gegen den Marco Temporal, der droht, die indigene Bevölkerung ihrer Landrechte zu berauben

Ein ewiger KampfParlament kippt Veto gegen Marco Temporal

Gegen Jahresende stellte sich das Parlament den positiven Entwicklungen auf Regierungsebene jedoch leider entgegen: Trotz Vetos des Präsidenten Lula da Silva und Entscheid des Oberesten Gerichtshofes, wurde der verfassungswidrige „Marco Temporal“ legalisiert. Dieser beschneidet die indigenen Land- und Selbstbestimmungsrechte, indem er die Möglichkeit einräumt, bereits anerkannte Territorien wieder abzuerkennen. Die Folge sind bewaffnete Konflikte zwischen Agro-Milizen und Indigenen im Kampf um indigene Territorien.

Die indigene Bewegung erhebt nun Einspruch gegen diesen Beschluss und bringt die Klage neuerlich vor den Obersten Gerichtshof.